Messung der Weizenqualität – TU Ilmenau

Landwirtschaft | Nahrungsmittel | Klassifizierung
Abb. 1: Körnermuster, abgebildet mit einer Array-CCD-Kamera unter Auflicht vor einem hellen Hintergrund, weisen große Unterschiede hinsichtlich Größe, Form und Farbe auf.

Nach der Ernte legt ein industrielles Hochgeschwindigkeits-Bildverarbeitungssystem Qualität und Preis von Weizen fest

Nachdem der Weizen geerntet ist, wird er in großen Kornlagern aufbewahrt, bevor er zur Weiterverarbeitung an große Mühlanlagen versandt wird. Um den Preis für diesen Weizen festlegen zu können, muss zunächst ein Muster analysiert werden, um dessen Backeigenschaften zu messen oder um festzustellen, ob eventuell giftige Pilzsporen im Korn vorhanden sind. Ebenfalls muss geprüft werden, in welchem Maß das Musterkorn von der durchschnittlichen Grundsorte abweicht.

Heutzutage gibt es verschiedene Standardverfahren, um Parameter wie den Glutengehalt des Weizens und den Wasseranteil, die direkten Einfluss auf die Backeigenschaften haben, zu messen. Es gibt aber auch Methoden, mit denen gemessen werden kann, ob das Korn von Pilzsporen befallen ist. Die Standardmethode für die Analyse der Zusammensetzung eines Kornmusters wird jedoch in Labors oder bei führenden Mühlenbetreibern angewandt, wo die Weizenkörner von Hand klassifiziert werden.

Hierfür wird die Probe zuerst durchgesiebt, zu kleine oder zu große Objekte werden ausgesondert und der Rest wird geprüft. Da die Analyse eines Musters von 200 g (ca. 4000-5000 Körner) zwischen 30 und 40 min dauern kann, ist dieser Vorgang sowohl zeitaufwändig als auch fehleranfällig.

Automatisierte Prüfung

Diesen Herausforderungen stellten sich Ingenieure und Ingenieurinnen der Fakultät für Maschinenbau an der Technischen Universität Ilmenau, die ein automatisiertes Bildverarbeitungssystem entwickelten, mit dem die Analysen automatisch ausgeführt werden. Bei diesem Verfahren kann die Probenmenge erheblich vergrößert werden, die Analyse liefert schnellere Ergebnisse und bietet eine weitaus höhere statistische Sicherheit.

Für die Analyse wird der Weizen zuerst durchgesiebt, und anschließend eine Mengenbestimmung der gesunden, robusten und vollständigen Körner durchgeführt. Ebenso werden die Quantitäten anderer eventueller Bestandteile der Probe, wie Fremdsamen, Unkrautsamen, Streu und Besatz berechnet. Zuletzt wird durch die Festlegung von OK-/NOK-Kriterien automatisch der Preis berechnet.

Durch Zählen der, verschiedenen Klassen zuzuordnenden Objekte, ist das Erkennungsverfahren weniger kompliziert und die Fehlerquote kann erheblich reduziert werden. Folgende Klassifizierung liegt hierbei zugrunde:

  • einwandfreies Korn,
  • beschädigtes oder vertrocknetes Korn,
  • Weizen mit Schädlingsbefall,
  • Fremdsamen und Streu

– diese wiederum werden in übergeordneten Gruppen kombiniert wie einwandfreier Weizen, verdorbenes Korn und Besatz.

Die Bildanalyse wird mit Algorithmen durchgeführt, die verschiedene Farb-, Textur- und Formkriterien als Eingabeparameter verwenden. Körnermuster, abgebildet mit einer Array-CCD-Kamera unter Auflicht vor einem hellen Hintergrund, weisen große Unterschiede hinsichtlich Größe, Form und Farbe auf. Da die Körnervielfalt immens ist, benötigt man einen Modelldatensatz mit einer großen Anzahl an repräsentativen Objekten je Kategorie und zudem einen wirkungsvollen Objektklassifikator mit hoher Generalisierungsfähigkeit.

Für die schnelle Analyse von Weizenproben, werden die Körner zunächst in einen Einfülltrichter gegeben, von wo sie auf ein Förderband fallen und eine Vereinzelungseinheit durchlaufen, in der die Objekte voneinander getrennt werden, um dann einzeln vor der Kamera vorbeitransportiert zu werden. Die Objekte fallen dann vom Förderband herunter und eine 3-Farben CCD CV-L107CL 3 Linescan-Kamera von JAI mit Camera Link Interface und einem achromatischen Makroobjektiv von Carl Zeiss erfasst Bilder von diesen Objekten. Für die Beleuchtung der Weizenkörner, die vor dem Sichtfeld der Kamera herunterfallen, werden drei separate LED-Beleuchtungseinheiten verwendet.

Zusätzlich kann eine zweite 3-Farben CCD Linescan-Kamera zum Einsatz kommen, welche über ein Beleuchtungssystem verfügt, das genau gegenüber der ersten Kamera positioniert wird und die die Vorder- und Rückseite der Weizenprobe erfasst. Nach der Erfassung und Klassifizierung der Objekte, werden diese mithilfe einer pneumatischen Sortiereinheit für Wiegen und Lagerung, in spezifische Klassen eingeteilt. Dadurch erfolgt die Handhabung und Separierung jedes einzelnen Objekts automatisch.

Bildklassifizierung

Nachdem die Bilder aufgenommen wurden, werden diese an einen Host-PC übertragen, wo die Muster klassifiziert werden. Zuerst erfolgt eine Bildsegmentierung, um die Objekte vom Hintergrund zu separieren. Dann wird eine Merkmalsextraktion durchgeführt, um die speziellen Merkmale jedes einzelnen Objekts zu bestimmen.

Durch die Kombination von Farb-, Form- und Texturmerkmalen erhält man einen Merkmalsvektor für jedes Objekt, der 198 Merkmalswerte enthält. Bildsegmentierung und Merkmalsextraktion werden mithilfe von Bildoperatoren ausgeführt, die hauptsächlich aus der HALCON 8.0 Bildverarbeitungsbibliothek von MVTec stammen.

Nachdem die Merkmale aus den Bildern extrahiert wurden, wird eine Bildklassifizierung verwendet, um die Merkmale jedes Objekts in der Probe zu bestimmen. Um den Klassifikator für die Analyse der Weizenmuster optimal zu trainieren, wurde eine große Anzahl an vorab manuell klassifizierten Mustern benötigt. Zu diesem Zweck arbeiteten deutsche Kornmühlen und das Max Rubner-Institut zusammen und testeten gemeinsam Muster von alten und neuen Getreidesorten. Aus den hierbei erzielten Ergebnissen erstellten sie eine Datenbank mit vorklassifizierten Objekten.

Sie verwendeten eine Support Vector Machine (SVM), mit der eine Gesamterkennungsrate von 94% und Einzelerkennungsraten zwischen 69% und 99% für 23 Objektkategorien verschiedener Getreidesorten erreicht wurden. Hierzu gehören u. a. einwandfreier Weizen und Roggen, verschiedene Kornverunreinigungen beim Weizen wie beispielsweise beschädigter und aufgekeimter Weizen sowie verschiedene andere Verunreinigungen wie Unkrautsamen, Besatz und andere Kontaminanten. Erkennungsraten von 81% bis 99% konnten durch die Zusammenfassung der 23 Unterkategorien in die jeweiligen übergeordneten Kategorien erzielt werden. Diese umfassen einwandfreies Korn, Mutterkorn, verfaultes Korn, und andere Kategorien von Besatz wie beschädigtes oder vertrocknetes Korn, und zuletzt Fremdsamen.

Da die Durchsatzleistung des Systems bei 50 g/min liegt, liefert diese automatische Analyse in kürzester Zeit ausführliche Informationen zur Kornqualität. Eine graphische Darstellung der Zusammensetzung des analysierten Korns ist ebenfalls möglich. Zudem können Gesamtgewicht der Probe, Gewicht des Anteils an einwandfreiem Korn sowie zahlenmäßige und graphische Statistiken der analysierten Probe berechnet und in einer Datenbank gespeichert werden.

Nachdem das erste Projekt ein Erfolg war, entwickelte design:lab Weimar ein Konzept für den Prototypen eines eigenständigen Klassifizierungssystems (siehe Abb. 3).

Autoren: Peter Brückner, Katharina Anding, Martin Dambon und Daniel Garten

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