
Die industrielle Bildverarbeitung ist eines der anspruchsvollsten Felder der Informatik
Aus dem Spin-Off der Technischen Universität München hat sich die MVTec Software GmbH in den letzten Jahrzehnten zu einem der weltweit führenden Softwareunternehmen für die industrielle Bildverarbeitung entwickelt. Seit der Gründung setzt MVTec Maßstäbe in der Qualität seiner Softwareprodukte.
In der Softwareentwicklung arbeiten rund 80 Personen daran, Kunden die leistungsstärksten und ausgefeiltesten Algorithmen zur Verfügung zu stellen. Was die Softwareentwicklung bei MVTec ausmacht, mit welchen Themen die Entwickler sich befassen und welche Voraussetzungen nötig sind, um bei MVTec zu arbeiten, diese Fragen beantworten Johannes Dieterich, Abteilungsleiter Engineering und Andreas Lösel, Software-Engineer im Team Deep Learning, im Gespräch.

Was macht MVTec für Softwareentwickler so besonders?
Andreas: Für mich ist es die Mischung aus verschiedenen Punkten. Auf der einen Seite – und das ist vielleicht sogar das Wichtigste – arbeite ich tagtäglich an und mit „State-of-the-Art-Technologien“. Dabei ist unsere Arbeit nicht auf einen bestimmten Bereich konzentriert, sondern unsere Software kommt in völlig unterschiedlichen Projekten und in so ziemlich jeder Branche zum Einsatz. Auf der anderen Seite fördert das Unternehmen meine persönliche und berufliche Entwicklung. Was noch dazukommt und für mich ebenfalls wichtig ist, wir haben eine äußerst positive und wertschätzende Arbeitsatmosphäre.
Johannes: Was uns von anderen Unternehmen unterscheidet: Bei uns findet man besonders anspruchsvolle und techniknahe Aufgaben. Die industrielle Bildverarbeitung ist natürlich unsere Kerndisziplin, aber es geht darüber hinaus. Beispielsweise entwickeln wir eine eigene, für die Bildverarbeitung optimierte Entwicklungsumgebung nebst entsprechender Programmiersprache. Für mich als Informatiker sind das fachlich extrem reizvolle Themen. Dazu kommt ein Team, das einen besonderen Zusammenhalt und einen besonderen Spirit hat. Als Mittelständler leben wir vom Miteinander und den kurzen Wegen. Nur so können wir auch weiterhin erfolgreich bleiben.
Wo genau kommen die Softwareprodukte von MVTec zum Einsatz?
Johannes: Wo nicht? Es gibt kaum einen Wirtschaftsbereich, in dem Bildverarbeitung nicht zur Steigerung der Leistung oder Effizienz beitragen kann. Im industriellen Umfeld sind wir seit jeher in den Bereichen Maschinenbau, Automobilproduktion oder in der Elektronikindustrie vertreten. Darüber hinaus wird Machine Vision in der Logistik und sogar in der Landwirtschaft eingesetzt. Schwerpunktmäßig setzen wir uns gerade mit der Halbleiterindustrie und Batterieproduktion auseinander. Für diese Zukunftsbranchen werden derzeit weltweit große Produktionskapazitäten aufgebaut – und die industrielle Bildverarbeitung ist in der Fertigung jeweils eine wichtige Komponente. Zurückhaltend sind wir hingegen im Bereich Rüstung und Überwachung. Das wäre mit unserem Leitbild unvereinbar.
Andreas: Als Entwickler für Deep-Learning-Methoden ist für mich vor allem relevant, welche Aufgabenstellungen sich mit meiner Arbeit lösen lassen. Das ist überall dort der Fall, wo die Erkennung besonders herausfordernd ist, weil komplexe Muster vorkommen und klare Regeln schwer zu definieren sind. Beispiele sind die Anomalieerkennung, etwa für die Qualitätsinspektion, oder OCR, also die automatische Erfassung von Text in Bildern.
Warum entscheiden sich Unternehmen, die Software von MVTec einzusetzen oder anders gefragt, wie und womit punktet MVTec beim Kunden?
Andreas: Ich traue mich zu sagen, dass wir das richtige Paket aus Benutzerfreundlichkeit und technologischer Exzellenz schnüren können. Unser Anspruch ist es, klassische Bildverarbeitung mit State-of-the-Art-Technologien im Bereich Machine Learning zusammenzubringen.
Johannes: Die Gründer von MVTec haben sich an der TU München kennengelernt und ihr Forschungsdrang und Anspruch in Sachen Technologie prägt uns auch heute noch. Wir haben beispielsweise eine eigene Forschungsabteilung. Die Kolleginnen und Kollegen befassen sich mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und analysieren, ob und wie diese für unsere Kunden Mehrwerte liefern. Das sichert uns einen technologischen Wettbewerbsvorteil. Ein konkretes Beispiel ist die von MVTec entwickelte Deep-Learning-basierte Technologie Global Context Anomaly Detection. Das ist in dieser Form eine Weltneuheit. Gleichzeitig ist es ein Beispiel dafür, welche bedeutende Rolle Deep Learning inzwischen in der Bildverarbeitung spielt. Da sind wir ganz vorne mit dabei.

Welchen fachlichen Hintergrund haben die Entwickler bei MVTec?
Andreas: Ich persönlich habe Elektro- & Informationstechnik studiert. Im Masterstudiengang konnte ich die Fächerwahl ziemlich frei gestalten und habe dabei meinen Schwerpunkt auf Machine Learning gelegt. Der Weg zu MVTec ist aber keineswegs starr vorgegeben. In meinem Team hat beispielsweise je[1]der einen anderen Background.
Johannes: Grundsätzlich ist es so, dass die industrielle Bildverarbeitung ein sehr anspruchsvolles Feld der Informatik ist, mehr vielleicht als andere Anwendungsbereiche von Software. Gute Programmierkenntnisse sind zwar die Voraussetzung, um bei MVTec zu arbeiten, alleine aber nicht ausreichend. Ein Beispiel: Unsere Software MVTec HALCON ist eines der leistungsfähigsten Machine-Vision-Softwareprodukte am Markt. Sie beinhaltet über 2.100 Operatoren, ist dementsprechend komplex und umfasst ein paar Millionen Zeilen Code. Damit zurechtzukommen, erfordert nicht nur höchstes Knowhow in Algorithmik, sondern auch im Bereich Software-Engineering. Mit Deep Learning kommt nochmals eine eigene Welt dazu. Das heißt, dass Universitäts- oder Hochschulabsolventen mit Deep-Learning-Expertise nicht automatisch den Weg in die industrielle Bildverarbeitung finden. Wir bei MVTec werden daher in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt mit mehr Wettbewerbern als früher konkurrieren müssen. Was für uns spricht: Bei MVTec beschäftigen wir uns schon länger und sehr intensiv mit Deep Learning. Für Absolventen hat das den Vorteil, von ausgewiesenen Pionieren und Experten auf dem Gebiet noch etwas lernen zu können.
Verfolgt man die öffentlichen Diskussionen, be- kommt man den Eindruck, Deutschland wäre in Sachen KI abgehängt. Für MVTec scheint das aber nicht zuzutreffen?
Andreas: Über technologische Fortschritte wird leider oft nur bei sensationellen Durchbrüchen berichtet, dafür dann umso mehr. Wir erzielen zwar kontinuierlich innovative Fortschritte, diese sind aber weniger spektakulär. Für die Branche, in der wir unterwegs sind, sind diese dennoch wegweisend.
Johannes: Das stimmt. Machine Vision ist zwar eine der Kernkomponenten der Automatisierung, allerdings NOCH eher ein Nischenthema. Dazu kommt, dass Wirtschaftsthemen generell weniger Aufmerksamkeit zuteilwird als solchen, die alle Verbraucherinnen und Verbraucher betreffen. Grundsätzlich brauchen wir uns technologisch, auch was Deep Learning betrifft, nicht vor dem Wettbewerb aus anderen Erdteilen zu verstecken – im Gegenteil.