Roboter und Machine Vision-Software im perfekten Zusammenspiel

Automobilbau | Robotik | 3D-Vision

Der spanische Robotik-Spezialist Tekniker hat eine Lösung entwickelt, mit der sich chaotisch liegende Teile automatisiert greifen und geordnet ablegen lassen. Für präzise Greifprozesse sorgt die integrierte Machine-Vision-Software MVTec HALCON mit 3D-Vision Technologien. Dadurch wird der gesamte Prozess durchgängig automatisiert, wodurch dieser beschleunigt sowie die Produktivität gesteigert wird und Kosten gespart werden.

Das vollautomatisierte Teilegreifen von Robotern ist eine große technische Herausforderung. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, dass dem Roboter die Bauteile nicht immer geordnet, sondern unsortiert und sogar übereinander liegend angeliefert werden. Das führt dazu, dass Menschen doch häufig eingreifen müssen.

Das Unternehmen Tekniker aus Spanien hat mit industrieller Bildverarbeitung (Machine Vision) eine Applikation entwickelt, die einen vollautomatischen Bin-Picking-Prozess mit zwei Robotern ermöglicht. Besonderes Highlight dabei ist die 3D-Vision-Technologie "Surfaced-based Matching, die verlässlich die angelieferten Bauteile erkennt und präzises Greifen ermöglicht.

Tekniker mit Sitz im nordspanischen Eibar hat sich auf die Entwicklung von Technologie-Lösungen unter anderem für Automatisierung, Industrierobotik sowie Sensorik spezialisiert.

Zu den Kunden von Tekniker zählt auch die CIKAUTXO GRUPPE, ein spanischer Automobilzulieferer. Im Auftrag des Unternehmens hat Tekniker ein bildverarbeitungsgesteuertes Robotersystem entwickelt, mit dem sich Bauteile automatisiert palettieren lassen. Dabei entnehmen die Roboter ungeordnet liegende Komponenten aus einer Box und legen sie anschließend geordnet in einem Behälter ab, der speziell auf die geometrischen Merkmale der Teile abgestimmt ist. So stehen sie dann zur weiteren Verarbeitung bereit.

Prozessautomatisierung mit Machine Vision und Robotern entlastet Mitarbeiter

„Bislang wurde die Palettierung der Teile rein manuell durchgeführt. Unser Ziel war es, diesen Prozess durchgängig zu automatisieren, um ihn zu beschleunigen, die Produktivität zu steigern und Kosten einzusparen. Zudem sollten unsere Arbeitskräfte entlastet werden“, erklärt Kepa Laka, Bereichsleiter Automatisierung und Robotik bei der CIKAUTXO GRUPPE. Zur Umsetzung der Prozessautomatisierung bestand eine Möglichkeit darin, ein mechatronisches System zu implementieren. Dieser Ansatz bietet jedoch ein geringes Maß an Flexibilität und Zuverlässigkeit und erzeugt obendrein eine starke Lärmbelastung. Daher entschieden sich die Verantwortlichen bei Tekniker für den Einsatz einer Lösung auf Basis von industrieller Bildverarbeitung.

Der Systemaufbau besteht aus zwei Industrierobotern, einem 3D-Scanner einer 3D-Tiefenkamera, einem PC, auf dem die Bildverarbeitungssoftware läuft, sowie einer SPS zur Steuerung der Zelle. Dabei entnimmt zunächst einer der Roboter mittels eines magnetischen Multifunktionsgreifers die gestanzten Teile aus dem Eingangsbehälter und legt sie auf zwei Förderbändern ab. Die Entnahme wird gestoppt, sobald auf beiden Bändern ein bestimmtes Volumen an Teilen erreicht ist. Das Volumen wird anhand der von der Tiefenkamera gelieferten Daten und der 2D- und 3D-Vision-Tools in HALCON berechnet.

HALCON verarbeitet dabei auch kontinuierlich die Daten aus dem 3D-Scanner und liefert die Lage und Position der auf dem Förderband am besten zu greifenden Teile an die Roboter.

Der zweite Roboter beginnt mit diesen Daten bereits, die Teile von den Förderbändern zu greifen und ebenfalls mithilfe von 3D-Vision so auszurichten, dass er sie geordnet in zwei Zielbehälter einsortieren kann. Und nachdem der erste Roboter die Entnahme aus dem Eingangbehälter stoppt, „hilft“ er dem zweiten bei dessen Aufgabe. Das funktioniert im Übrigen mit einer Geschwindigkeit von 8 Sekunden pro Teil. Im Zielbehälter müssen die Bauteile mit der Vorderseite nach oben sowie mit einer Toleranz von 0,5 Millimetern in Führungsstangen eingefügt werden.

Mit Machine-Vision-Software ungeordnet liegende Teile präzise lokalisieren

Die besondere Herausforderung in diesem Setup besteht nun darin, dass die Roboter die Positionen und Ausrichtungen von Bauteilen im 3D-Raum präzise erkennen, um sie sicher greifen und wieder ablegen zu können.

„Zur Umsetzung dieser Anforderung haben wir die Software SMARTPICKING entwickelt und integriert. Die Software ist in der Lage, Objekte mithilfe von 3D-Daten exakt zu identifizieren. Herzstück der SMARTPICKING-Lösung bildet die Bildverarbeitungssoftware MVTec HALCON. Sie liefert ausgefeilte Algorithmen und Werkzeuge, um die chaotisch auf dem Förderband liegenden Teile präzise zu lokalisieren und die Koordinaten des Entnahmepunkts an die Roboter zu übermitteln“, erklärt Jorge Molina, Entwickler für intelligente und autonome Systeme bei Tekniker.

Konkret kommen dabei klassische, 3D-basierte Bildverarbeitungsverfahren zum Einsatz. Dazu zählt in erster Linie das HALCON-Feature „Surface-based Matching. Die Technologie nutzt Daten aus 3D-Punktwolken, die vom 3D-Scanner aufgenommen werden. Die Daten werden mit verschiedenen Filtern und Vorverarbeitungsoperatoren weiterverarbeitet, um die Lagebestimmung der Teile zu verbessern. Dies ermöglicht eine besonders robuste Positionsbestimmung der Objekte – unabhängig von der Beschaffenheit der Oberfläche. Die Roboter können nun die Teile zielsicher greifen. Dies funktioniert bei einer großen Bandbreite verschiedenster Bauteile, wie sie in industriellen Produktionsprozessen vorkommen. Dazu kommt: Für einen sicheren Greifprozess müssen die Roboter auch die relative Position der 3D-Kamera in Beziehung zum jeweiligen Objekt exakt in ihrem Koordinatensystem ermitteln können. Hierfür wird mithilfe von MVTec HALCON, eine sogenannte Hand-Augen-Kalibrierung durchgeführt. Diese Kalibrierung ist unumgänglich, um den Bezug zwischen Kamera, Roboter und den zu greifenden Teilen herzustellen. Der Roboter „weiß“ also erst dadurch, wo genau sich sein Greifer im Verhältnis zum zu greifenden Objekt befindet – wohin er ihn also bewegen muss, um nicht ins Leere zu greifen.

3D Vision hilft, Kollisionen zu vermeiden

Während des gesamten Pick-and-Place-Workflows müssen mögliche Kollisionen zwischen den Roboterarmen und einzelnen Objekten (Bauteile, Behälter, usw.) vermieden werden. Hierbei unterstützt die in HALCON integrierte Technologie „3D Object Processing“. Damit lassen sich diejenigen Teile ermitteln, die günstig auf dem Fließband liegen und damit zunächst kollisionsfrei gegriffen werden können. Auf Basis dieser ersten Auswahl bestimmt die Software dann anhand verschiedener Entscheidungskriterien wie der Höhe und Ausrichtung der Teile oder der Position des Greifpunkts den optimalen Kandidaten und gibt die Koordinaten seiner Position an den Roboter zurück. So kann dieser den nächsten Greifprozess sicher ausführen.

Durch den kontrollierten Ablauf lässt sich die Entnahme der Komponenten so steuern, dass Kollisionen und damit Störungen des Workflows verlässlich verhindert werden. Zudem erkennt die Software das verbleibende Fassungsvermögen des Zielbehälters und bestimmt so, ob dem Behälter noch weitere Teile zugeführt werden können.

Ergebnis: Prozessgeschwindigkeit dank 3D Vision um bis zu 100 Prozent erhöht

„Dank MVTec HALCON können wir den Prozess der robotergestützten Palettierung durchgängig und reibungslos automatisieren sowie optimieren“, resümiert Jorge Molina. „Wir konnten die Prozessgeschwindigkeit um bis zu 100 Prozent erhöhen und obendrein unsere Mitarbeiter von Routineaufgaben zu entlasten“, bestätigt Kepa Laka.