Interoperabilität ist Trumpf!

Jeder kocht sein eigenes Süppchen? Dies führt nicht zum Erfolg. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihre Lösungen und Produkte durchgängig und interoperabel gestalten. Erforderlich hierfür sind gemeinsame Standards und Schnittstellen. Deren Entwicklung mag mühsam sein – aber es lohnt sich: Die Zusammenarbeit sorgt für Know-how-Transfer, belebt den Markt und beugt einer Fragmentierung der Branche vor. MVTec wirkt aktiv an der Entwicklung gemeinsamer Normen und Schnittstellen mit.

Thomas Hopfner, Product Manager Licensing and Interfaces bei MVTec

Die Beteiligung an der Entwicklung gemeinsamer Standards ist für Unternehmen oft ein heikles Thema: Der Austausch innerhalb entsprechender Communities, Gremien und Verbände gestaltet sich bisweilen zeitraubend und aufwändig. Die Abstimmungsprozesse bis hin zur finalen Umsetzung neuer Standards erfordern häufig einen langen Atem. Warum sollten Unternehmen also Personal, Zeit und Geld in diesen Prozess investieren? Ist es nicht lohnender, auf die Entwicklung eigener, proprietärer Lösungen zu setzen?

Ein klares Ja – aber nur kurzfristig betrachtet. Langfristig gesehen ist dies jedoch ein Trugschluss. Denn Insellösungen sind für die Unternehmen, Kunden und die gesamte Branche meist mit gravierenden Nachteilen verbunden: Zwar steht in vergleichbar kurzer Zeit eine Lösung zur Verfügung. Diese ist aber in der Regel nicht zukunftsfähig, verschlingt finanzielle Mittel und führt häufig zur Fragmentierung von Markt und Branche.

Kunden profitieren von hoher Produktreife

Langfristig besser beraten sind Unternehmen daher mit Kooperationen – sprich: mit einer Strategie, die auf die Entwicklung erfolgreicher gemeinsamer Standards und durchgängiger Schnittstellen setzt. Diese schaffen Sicherheit über einen langen Zeitraum und sorgen für einen lebendigen Wettbewerb. Dabei sind insbesondere die Kunden Nutznießer dieses offenen Ansatzes: Sie profitieren von reiferen Produkten, können diese besser vergleichen und so das für sie optimale Angebot auswählen. Ein weiterer Vorteil: Dank durchgängiger Interoperabilität sprechen verschiedene Systeme und Lösungen die gleiche Sprache, sodass sie sich dem individuellen Bedarf entsprechend austauschen lassen. Anwender profitieren dadurch von einem Plus an Flexibilität und Kostentransparenz.

Standardisierung fördert zudem den Austausch von Wissen und bereitet den Weg für technologischen Fortschritt. So können auch neue Player am Markt auf Basis bestehender Standards einfach integrierbare Lösungen entwickeln und anbieten. Für Kunden bedeutet das wiederum mehr Produktvielfalt und Auswahlmöglichkeiten. Wichtig dabei: Durchdacht designte Standards schaffen immer auch viel Freiraum für individuelle Entwicklungen. Sie bilden eine solide Grundlage für Innovationen und Erweiterungen, von denen alle Anwender direkt profitieren. Dabei ist es nicht erforderlich, die entsprechenden Interfaces neu zu programmieren oder zu erweitern. Die Standards fungieren als wichtiger Treiber, um Innovationen schnell in den Markt zu bringen und dort zu etablieren.

Standardisierung optimiert Machine-Vision-Prozesse

Auch in der industriellen Bildverarbeitung (Machine Vision) haben Standards und Schnittstellen eine zentrale Bedeutung. Von hoher Relevanz sind dabei Standards für den Bildeinzug wie etwa GigE Vision. Dieser vereinfacht die Anbindung von Bildeinzugsgeräten wie Industriekameras an Netzwerkinfrastrukturen und nutzt dabei Gigabit-Ethernet-Standards. Eine wichtige Schnittstelle für die Kamera-Integration ist GenICam (Generic Interface for Cameras). Damit lassen sich die Interfaces der Kameras von Programmier-Schnittstellen spezieller Anwendungen entkoppeln. GenICam umfasst auch den „Generic Transport Layer“ (GenTL), der für den nahtlosen Transfer der Kameradaten in die Benutzer-Anwendung sorgt. Dank der fortschreitenden Standardisierung ist die Zahl der proprietären Bildeinzugslösungen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Systemintegratoren profitieren zudem von deutlichen Arbeitserleichterungen, da sie verschiedene industrielle Kameras gleichartig verwenden können.

Wichtig im Kontext der industriellen Bildverarbeitung sind zudem Standards zur übergreifenden Prozesskommunikation. Dazu zählt beispielsweise OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture). Dieser Standard ermöglicht den durchgängigen Datenaustausch zwischen Komponenten verschiedenster Hersteller, wobei eine Kompatibilität mit allen denkbaren Plattformen und Betriebssystemen gewährleistet ist. Dabei definiert OPC UA als übergeordnetes Framework eine gemeinsame Sprache für die Datenkommunikation zwischen unterschiedlichen Systemwelten. Dies ebnet den Weg für die nahtlose Integration zahlreicher Automatisierungsanwendungen.

Verbände und Unternehmen treiben Industriestandards voran

Es gibt zwei Arten von Standards: Auf der einen Seite technische Industriestandards und auf der anderen Seite Normen mit gesetzgeberischer Wirkung, sogenannten De-jure-Standards. Erstere werden von Verbänden und Unternehmen entwickelt und abgestimmt. Bei den Industriestandards werden häufig Eigenentwicklungen für die allgemeine Nutzung freigegeben. Auch MVTec hat dies gemacht: Das Unternehmen hat das GenICam GenTL Producer Framework in Eigenregie entwickelt und stellt den produktionsbereiten Code eigenen Kunden und der gesamten GenICam-Community kostenlos zur Verfügung.

Auch für die in der industriellen Bildverarbeitung bedeutsame KI-Technologie Deep Learning existieren bereits Standards, die sich allerdings noch in der Entwicklung befinden und bislang einen geringen Reifegrad aufweisen. Zu nennen ist hier beispielsweise ONNX (Open Neural Network Exchange), das von verschiedenen Frameworks unterstützt wird. Hier herrscht jedoch generell noch eine hohe Fragmentierung und es werden derzeit nicht alle Anforderungen für den produktiven, industriellen Betrieb erfüllt.

Wer, wenn nicht wir?

Der Prozess der Standardisierung ist – wie im gesamten Industrieumfeld – auch im Machine-Vision-Segment ständig im Fluss. Auch wenn viele Standards schon eine gewisse Reife erreicht haben, werden sie dennoch kontinuierlich weiterentwickelt.

Einfachere Umsetzung, höhere Vergleichbarkeit und damit mehr Wettbewerb führen schließlich zu besseren Ergebnissen. So bringen wir die Machine-Vision-Branche gemeinsam voran!